CLEANSTATE e.V.
Betrifft:
Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den VIII. Zivilsenat des BGH
wegen
Rechtsbeugung u.a. im
Urteil VIII ZR 138/07 vom 19.11.2008
Sehr geehrter Herr Professor Tolksdorf,
mit den Leitsatz-Entscheidungen VIII ZR 144/06 vom 28.3.2007
(Strompreis E.ON edis), VIII ZR 36/06 vom 13.6.2007 (Gaspreis
Heilbronn) und VIII ZR 138/07 vom 19.11.2008 (Gaspreis Stadtwerke
Dinslaken) entwickelte der Senat unter Vorsitz des Richters Wolfgang
Ball die so genannte Preissockel-Theorie zu § 315 BGB. Demnach
unterliegen nicht die Gesamtpreise für Strom oder Gas der
Billigkeitsprüfung, sondern nur die Preiserhöhungen, gegen
die Verbraucher in angemessener Frist Widerspruch eingelegt haben. Der
Preissockel ist der bei Vertragsabschluss gültige Preis bzw. der
Preis, der vom Verbraucher ohne Widerspruch bei der Jahresabrechnung
ohne Beanstandung gezahlt wurde. Nach der Preis-sockel-Theorie ist der
Preissockel einer Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB entzogen
Die Preissockel-Theorie passt weder zur übrigen Rechtsprechung des
VIII. Zivilsenats noch zur Rechtsprechung des Kartellsenats am BGH und
anderer BGH-Senate. Die Preissockel-Theorie lässt sich auch nicht
mit Wortlaut und Zweck des § 315 BGB vereinbaren. Vielmehr
resultieren aus der Preissockel-Theorie unauflösbare logische
Widersprüche für den Begriff der Billigkeit. Ohne haltbare
Begründung erscheint diese Rechtsprechung willkürlich, wie
die beigefügte Kritikschrift vom 14.1.2010 im Detail belegt.
Im Urteil VIII ZR 138/07 offenbarte der VIII. Zivilsenat ein
Kartellrechts-Verständnis, das von Recht und Gesetz nicht gedeckt
ist. Der Senat unter Vorsitz von Richter Ball erklärte am
19.11.2008 ein 11 Monate junges Gesetz, namentlich § 29 GWB zur
Energiewirtschaft, für veraltet und entwickelte das Gesetz gegen
den deutlich erkennbaren Willen des Gesetzgebers nach eigenem
Gutdünken weiter: aus der Einführung des § 29 GWB
leitete der VIII. Zivil-senat eine Einschränkung der
Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB ab. Offenbar werden die
Urteile des VIII. Zivilsenats von sachfremden Motiven beeinflusst. Die
beigefügte Kritik-schrift vom 4.2.2010 analysiert das Urteil vom
19.11.2008 als eine Willkür-Entscheidung, die nicht im Namen des
Volkes, sondern im Namen der Energiekonzerne ergangen ist.
Mit seiner Rechtsprechung zur Billigkeitskontrolle von Energiepreisen
missbraucht der VIII. Zivilsenat seine richterliche
Unabhängigkeit. Der VIII. Zivilsenat lässt keine Bindung an
Recht und Gesetz erkennen, sondern verstößt in krasser Weise
gegen die Gewaltenteilung als Fundament unserer Demokratie, indem der
Senat die Rolle des Gesetzgebers übernimmt. Mit seinen
Willkür-Urteilen erschüttert der VIII. Zivilsenat das
Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung als Ganzes. Im
konkreten Fall resultieren aus den schwer wiegenden, bewussten
Rechtsbrüchen des VIII. Zivilsenats Milliarden-Schäden zu
Lasten der Energie-verbraucher in Deutschland. In Billigkeitsprozessen
zu Energiepreisen übernehmen die unteren Gerichtsinstanzen in der
Folge die Leitsätze aus den kritisierten BGH-Entscheidungen oft,
ohne sie selbst nochmals zu prüfen. Eines unserer
Vereinsmitglieder erlebt dies im Sommer 2009 am Amtsgericht
Würzburg. Die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats erweckt den
Eindruck, als ob nun auch BGH-Richter im Interesse der Energieversorger
die wirt-schaftliche Ausbeutung breiter Bevölkerungsschichten
fördern wollten.
Richterliche Unabhängigkeit ist indes kein Freibrief für
Justizwillkür. In Artikel 97 Absatz 1 des Grundgesetzes
heißt es: „Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz
unterworfen.“ Ohne Bindung an das Gesetz kann sich die Rechtsprechung
nicht auf ihre Unabhängigkeit berufen, vgl. auch Artikel 20 Absatz
3 des Grundgesetzes. In den konkreten Verfahren VIII ZR 144/06 und VIII
ZR 36/06 sowie vor allem beim Urteil VIII ZR 138/07 hat sich der VIII.
Zivilsenat so weit vom Boden des Gesetzes entfernt, dass von
Rechtsbeugung im Sinne des § 339 StGB auszugehen ist.
Das Deutsche Richtergesetz hat eine Dienstaufsicht vorgesehen, die im
Fall von Rechts-beugung sehr wohl eine inhaltliche
Überprüfung richterlicher Entscheidungen ermöglicht.
Zwar darf nach § 26 DRiG im Allgemeinen der Inhalt einer
richterlichen Entscheidung nicht Gegenstand von
Dienstaufsichtsmaßnahmen sein. Aber, so der führende
Kommentar von Dr. Günther Schmidt-Räntsch und Dr. Jürgen
Schmidt-Räntsch zum Deutschen Richtergesetz auf Seite 443 in
Randnummer 31 zu § 26 DRiG, 6. Auflage 2009: „Eine Ausnahme
besteht nur insoweit, als auf Grund gesetzlicher Vorschriften der
Inhalt einer Entscheidung im Dis-ziplinar- oder Strafverfahren
nachgeprüft werden kann, so bei Rechtsbeugung (§339 StGB).”
Ferner heißt es in Randnummer 40 zu § 26 DRiG auf Seite 447:
„Sofern es sich um Richterbestechung oder Rechtsbeugung handelt
(§§ 334, 339 StGB) beziehen sich die Maßnahmen der
Dienstaufsichtsbehörde zwangsläufig auch auf den Inhalt einer
richterlichen Entscheidung. In solchen Fällen wird die
zuständige Dienstbehörde aber unverzüglich die
richterliche Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung
und die Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens (§ 63
Abs. 2 und § 83) herbeizuführen haben.”
Vor diesem Hintergrund beantragen wir, dass Sie im Rahmen Ihrer
Dienstaufsicht ein förm-liches Disziplinarverfahren nach § 63
DRiG gegen die beteiligten Richter des VIII. Zivil-senats, die Richter
Ball, Dr. Wolst, Dr. Frellesen und Dr. Achilles sowie die Richterinnen
Hermanns, Dr. Hessel und Dr. Milger einleiten.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr.-Ing.
Hans-Joachim Selenz
1.Vorsitzender
CLEANSTATE e.V.
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ist eine von engagierten Bürgerinnen und Bürgern
gegründete, überparteiliche Initiative. Wir haben es uns zum
Ziel gesetzt, Kriminalität, Korruption, Vetternwirtschaft und
Rechtsmissbrauch in Politik, Staat und Wirtschaft unseres Landes an die
Öffentlichkeit zu bringen und zu bekämpfen. Wir wollen
erreichen, dass unsere Gesetze wieder konsequent auch bei den Menschen
zur Anwendung kommen, deren Position in Politik und Wirtschaft sie
heute vor Verfolgung schützt. Wir recherchieren selbst und auf
Basis uns zugehender Informationen, um konkrete Straftaten aufzudecken,
an die Öffentlichkeit zu bringen und dadurch die Justiz notfalls
zum Handeln zu zwingen. Wir sind überwiegend selbst in
großen Unternehmen, Politik und öffentlicher Verwaltung
tätig oder tätig gewesen und haben dort die unglaublichen
Missstände erlebt, die wir bekämpfen - dies ist vor allem die
Basis unseres persönlichen Engagements und unseres Erfolgs.